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23.08.2015

Von Sandwüsten und kristallklaren Seen

Montag, der 18. Mai 2015: Abfahrt zum „Garten Eden“

Es ist 8:00 Uhr morgens und unsere fünftägige Radtour startet in Berlin. In der morgendlichen Rush Hour stehen wir zu fünft am Bahnhof Berlin-Spandau. Mit unseren vollgepackten Drahteseln sehen wir aus wie Außerirdische, die nicht so recht in die großstädtische Hektik zu passen scheinen.

Ausgestattet mit drei Zelten, einem Campingkocher, unseren persönlichen Dingen und jeder Menge Motivation machen wir uns zu unserem 50 Kilometer weit entfernten ersten Ziel, dem Campingplatz Eden in Klein Kreutz bei Brandenburg/Havel auf. Entlang der Bundestraße 5 verlassen wir das vielbefahrende Berlin in Richtung Döberitzer Heide und finden uns nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt neben Wisenten und Heidschnucken auf einem ehemaligen militärischen Übungsgelände wieder.

Zwischen der Döberitzer Heide und unserem Etappenzwischenziel Ketzin fahren wir auf kaum befahrenden Landstraßen, vorbei an idyllischen Kleinöden, in denen die Dorfälteste uns noch persönlich begrüßt, während sie gerade das öffentliche Blumenbeet in der Dorfmitte umgräbt. Nach 30 Kilometern erreichen wir in Ketzin die letzte Einkaufsmöglichkeit, um heute Abend nicht hungrig in den Schlafsack schlüpfen zu müssen. Wir entscheiden uns für vier Dosen exquisiten Kartoffeleintopf und zum Anstoßen nehmen wir stark sprudelndes H2O mit.

Die letzten 20 Kilometer werden zu einem Kraftakt. Vor dieser herausfordernden Woche haben wir eine kleine Proberadtour auf dem Tempelhofer Feld absolviert und fühlten uns danach eigentlich bereit für diese einwöchige Radtour. Doch mit nunmehr noch mehr Gepäck vom Einkauf kommen wir im Team langsam an unsere Leistungsgrenze, die für uns immer das schwächste Glied in unserer 5er Gruppe darstellt. Die Kilometer, auf denen wir unsere Fahrräder schieben, nehmen zu. Für unsere Mühen werden wir aber durch die wunderschöne Seen- und Sumpflandschaft entlang der Havel entschädigt.

Gegen 17:15 Uhr erreichen wir ziemlich ausgelaugt unseren „Garten Eden“ des Tages. In der Nachbarschaft von tanzenden Mücken bauen wir unsere Zelte auf und stürzen uns hungrig auf unseren Eintopf. Nach einer lauwarmen Dusche fallen wir dann geschafft in unsere Schlafsäcke.

Dienstag, der 19. Mai 2015: Neuruppin, wir kommen! Oder doch nicht?!

Nach einer kurzen Nacht wachen alle vier Schülerinnen mit größeren Wehwechen auf. Leider sind die Stiche im Oberschenkel bei einer Schülerin so stark, dass wir morgens um 4:30 Uhr vor der kniffligen Entscheidung stehen, wie es mit der Tour weitergehen soll. Abbruch der Tour? Verkürzung der Tour? Fahrt mit der vom Streik geplagten Regionalbahn?

Alle diese Fragen stehen aber zunächst hinter derer an, wie wir unserer unter Schmerzen leidenden Tourgefährtin helfen können. Der nächste größere Ort ist Brandenburg/Havel, aber es ist früh morgens, die nächste Bushaltestelle ist auch etwas entfernt und fährt da überhaupt ein Bus? Als wir am Vortag dort vorbei gefahren sind, sah die Haltestelle ganz schön heruntergekommen aus. Zu unserem Glück ist die Mutter der Schülerin schon früh morgens erreichbar und sagt uns zu, gegen 9:00 Uhr bei uns am Campingplatz Eden sein zu können. Wie im Garten Eden fühlen wir uns jetzt aber nicht mehr. Wir wissen nun, dass wir ein Teammitglied für die nächsten Etappen verlieren würden. Dazu kommen noch die auch nicht zu unterschätzenden schmerzhaften Spuren der gestrigen Etappe bei den anderen drei Schülerinnen. Wie also weiter machen? Die drei Schülerinnen sind sich sofort einig, dass sie die heutige geplante Etappe von knapp 70 Kilometer nach Neuruppin mit dem Fahrrad nicht schaffen würden. Ein Abbruch der Tour will aber auch keine. Einen Tag vor dem geplanten Bahnstreik wollen wir also nun zu viert den Versuch wagen, mit unseren Rädern von Brandenburg/Havel nach Neuruppin mit der Regionalbahn zu fahren.Dem steht noch eine 10 Kilometer lange Strecke von Klein Kreutz nach Brandenburg/Havel im Weg, die wir aber mit kürzeren Pausen gut meistern.

Nach 2,5 Stunden Bahnfahrt inklusive mehrmaligen Umsteigen erreichen wir am frühen Nachmittag mit dem RE 6 den Bahnhof Neuruppin Rheinsberger Tor. Etappenziel erreicht? Nein, denn unsere Unterkunft liegt in einem äußeren Stadtteil von Neuruppin. Für uns heißt es also wieder aufsatteln und knapp 10 Kilometer in den Süden von Neuruppin fahren. Vorbei an dem Fontane-Denkmal, einer überregional bekannten Eisdiele, dem Ruppiner See und der Altstadt erreichen wir schließlich unsere Ferienwohnung. Morgen werden die Sehenswürdigkeiten, an denen wir heute vorbei gefahren sind, erkunden.

Schnell fällt uns auf, dass unsere nah am Ruppiner See gelegene Ferienwohnung einen für unsere hungrig knurrenden Bäuche entscheidenden Standortnachteil hat: der nächste Supermarkt ist einige Kilometer entfernt. Nach der Bahnfahrt und den Radfahrten zwischen den Bahnhöfen und Unterkünften wollen wir die Strecke zwischen Ferienwohnung und Supermarkt diesmal zu Fuß zurücklegen. Unseren Hunger können wir zurück in unserer Ferienwohnung endlich mit leckeren selbstgemachten Wraps stillen.

Der Abend verläuft ruhig. Einen Besuch statten wir nur noch der nächst gelegenen Tankstelle ab, um unsere Fahrradreifen mit ausreichend Luft für die nächsten Etappen zu versorgen.

Mittwoch, der 20. Mai 2015: Leckeres Eis und stürmische See

Für den heutigen Morgen haben wir beschlossen keine feste Uhrzeit zum Aufstehen festzulegen. Es gibt nur eine Bedingung, wir wollen noch vor Mittag unsere Ferienwohnung verlassen und Neuruppin erkunden. Außerdem stehen Tretboot fahren und Eis essen ganz oben auf der To-Do Liste der Schülerinnen. Im Vorfeld der Tour haben diese immer wieder von einem ganz bestimmten Eiscafé in Neuruppin geschwärmt. Ich wollte es genau wissen und habe eine nicht ganz repräsentativ Umfrage gestartet: eine Verkäuferin im Supermarkt, einen Passanten, mit dem wir ins Gespräch gekommen sind, und unseren Vermieter habe ich gefragt, wo es deren Meinungen nach das leckerste Eis weit und breit geben würde. Tatsächlich haben alle immer wieder eine bestimmte Eisdiele genannt. Damit fühlte dann auch ich mich herausgefordert diese Köstlichkeit zu probieren und die Schülerinnen haben mich überzeugt, dem Eiscafé an der Präsidentenstraße einen Besuch abzustatten.

Gestärkt haben wir dann das historische Zentrum von Neuruppin erforscht. Wir haben unter anderem das Fontane Denkmal und Geburtshaus dieses bedeutendem Schriftstellers, das bekannte Rheinsberger Tor, in dessen Gebäuden heute die Tourist-Information sitzt, und die Tempelgärten von Neuruppin angeschaut. Neuruppin hat eine Vielzahl an historischen Denkmälern und Skulpturen zu bieten, sodass uns die Sehenswürdigkeiten nicht ausgingen.

Dann wäre eigentlich Zeit gewesen, um den Ruppiner See mit einem Tretboot zu erobern. An einer von zweien Leihstellen angekommen, begrüßt uns ein Schild mit der Aufschrift: „Der Hafen ist heute wegen technischen Gründen geschlossen“. Kurzes googlen bringt uns aber die Adresse einer zweiten Leihstelle.

Ein kurzer Anruf und die Dame im Büro erklärt uns, dass es gar kein Problem sei ein Tretboot von ihrem Unternehmen auszuleihen. Motiviert gehen wir zum nächsten Hafen weiter. Diesmal begrüßt uns ein Schild mit der Aufschrift: „Hafenmeister unterwegs. Bitte rufen Sie unter folgender Handynummer an“. Eine raue Stimme am Handy erklärt uns, dass die See heute zu stürmisch sei, um rauszufahren. Die Windstille am Ufer würde täuschen. Alternativ ein Motorboot zu mieten wäre zwar eine Option, aber diese seien erst wieder am nächsten Tag verfügbar. Etwas enttäuscht machen wir uns auf den Heimweg zu unserer Ferienwohnung auf.

Am Abend wollen wir den Sonnenuntergang am Ruppiner See erleben. Dafür suchen wir uns auf unserer Radwanderkarte einen nicht allzu langen Radweg zu einem freien Uferbereich aus. Wir folgen den Hinweisschildern, die uns eigentlich zum ausgewählten Uferbereich führen sollen. Nach kurzer Zeit finden wir uns in einem Sumpf- und Moorgebiet wieder, welches schlussendlich auf einem Rapsfeld endet. Dass hier mal ein Radweg gewesen sein soll, ließ sich allemal erahnen. Und so müssen wir unsere Räder durch hohes Gras und modrige Trampelpfade schieben und waren nach der Rückkehr zur Ferienwohnung nur froh, dass wir diesen Ausflug ins Grüne nicht noch mit unliebsamen Bissen und Stichen von Insekten bezahlen müssen.

Donnerstag, der 21. Mai 2015: Ein Tag mit viel Sand und Seen

Mehr als 40 Kilometer Fahrt von Neuruppin nach Oranienburg haben wir heute vor uns und diesmal gibt es durch die Nachwirkungen des Bahnstreikes auch keine Alternative zum Fahrrad, um aus Neuruppin Richtung Süden zu gelangen. Aber eine Alternative brauchen wir auch gar nicht, denn nachdem wir am Montag auch schon 50 Kilometer Rad geschafft haben, sind wir uns sicher, dass wir Oranienburg mit genügend kleinen Pausen erreichen werden. Wir starten unsere heutige Etappe morgens um 7:30 Uhr und kommen zunächst auch gut voran. Eine kurze Pause gönnen wir uns nur in Altfriesack, um einen letzten Blick auf den von Nord nach Süd weit gestreckten Ruppiner See zu werfen.

Vor dem von uns auserkorenem Mittagspausenziel Beetz erleben wir dann, dass sich sowohl google maps, unsere Wanderkarte und weitere Navigationsgeräte irren können. Anstelle eines eingezeichneten Fahrradweges landen wir mitten in einer „Sandwüste“. Bei strahlendem Sonnenschein, keiner Wolke am Himmel und einem Sandweg, den man eher am Strand erwartet, bleibt uns keine andere Wahl als unsere vollgepackten Räder vorsichtig durch den Sand zu schieben. Jetzt ist Teamarbeit angesagt, denn durch unser schweres Gepäck sacken unsere Rädern immer wieder tief in den Sand ein.

Erst nach gefühlt mehreren Kilometern erreichen wir ein freies Feld und stehen nun an einer Kreuzung von Feldwegen, ohne zu wissen, wo genau wir gerade sind. Alle GPS Daten unserer Smartphones versagen und wäre nicht zufällig ein Landwirt in der Nähe gewesen, wäre die Wahrscheinlichkeit, den richtigen Weg einzuschlagen gering gewesen. Zu dem Zeitpunkt war uns noch nicht klar, dass dies nicht das letzte Mal an diesem Tag gewesen sein sollte, dass uns Sand in die Quere kommt. Zunächst aber erreichen wir Beetz und chillen und picknicken für einige Zeit am Beetzer See.

Die letzten 15 Kilometer vor Oranienburg haben es noch einmal in sich. Die Radwege sind in einem schlechten Zustand und münden schließlich in Forstwegen, die nur aus zwei Reifenspuren von Geländewagen bestehen. Zwischendurch gibt es aber auch immer wieder Wegstrecken, auf denen selbst diese Spuren fehlen. Erneut müssen wir schieben.

Ohne einen für uns ersichtlichen Grund geht es dann aber auch zu Fuß nicht mehr weiter. Mitten im Wald steht ein zwei Meter hoher Zaun, der das Ende des Weges markiert. Ausweichwege sind nicht in Sicht und so müssen wir uns durch das Dickicht entlang des Zaunes kämpfen. Der Rückweg wäre ein Umweg von mindestens 10 Kilometern gewesen. Als Erinnerung an diesen offiziell nicht ausgewiesenen Weg sammeln wir leichte Blessuren an den Beinen durch Büsche und Äste ein. Ein Ende des Zauns ist nicht in Sicht, als plötzlich ein Eingang am Zaun auftaucht. In der Ferne hören wir Bagger arbeiten und kurzerhand folge ich den Motorengeräuschen. Nach einigen Meter auf dem offensichtlich privaten Gelände komme ich den Grund für den in den Karten nicht eingezeichneten Zaun auf die Spur. Ich schaue in einen 30 Meter tiefen sandigen Abgrund und erkenne, dass sich hier eine Sandgrube immer tiefer in den Untergrund frisst. Ein Bauarbeiter erklärt mir nicht nur den kürzesten Weg nach Oranienburg, sondern auch, dass der Zaun erst seit Kurzem hier stehen würde: „Pech gehabt“.

Wir erreichen Oranienburg gegen Nachmittag und steuern unseren Campingplatz auf dem ehemaligen Gelände der Landesgartenschau an. Direkt an der Havel gelegen sind wir die einzigen campenden Gäste und kommen in den Genuss das gesamte Wirtschaftsgebäude für uns alleine in Beschlag nehmen zu dürfen. Der Aufbau der Zelte verläuft zügig, das gleiche Spiel haben wir ja schon am Montag absolviert. Am Abend bleibt genügend Zeit und Kraft, um Teile von Oranienburg mit dem Rad zu entdecken. Vorbei am Schloss Oranienburg und dem in bunten Farben blühenden Schlossgarten lassen wir uns in einem Café nieder, um mit drei Eisschokoladen und einem Früchtetee auf das erfolgreiche Ende dieser Woche der Herausforderung anzustoßen.

Freitag, der 22. Mai 2015: Abreise nach Berlin und Resümee

Für den letzten Tag ist eigentlich eine Etappe von Oranienburg nach Berlin-Heiligensee vorgesehen gewesen. Durch den Bahnstreik, der erst kurz vor unserer Abreise beendet worden war, wären wir von Heiligensee aber nicht weiter nach Berlin gekommen. Um trotz vermeintlichem Bahnstreik pünktlich in den Pfingsturlaub verreisen zu können, haben wir uns darauf verständigt, direkt aus Oranienburg mit der S Bahn nach Berlin zurück zu fahren. Auch im Streikfall wäre aus Oranienburg eine S Bahn nach Berlin gefahren. Unsere neuen Planungen konnten wir dem abgesagten Streik kurzfristig aber nicht mehr anpassen. So trennten sich die letzten Wege unseres Teams nach einer halben Stunde S Bahn Fahrt am Bahnhof Berlin Gesundbrunnen.

Was bleibt ist eine ereignisreiche, spannende und sehr intensive Woche, in der die Schülerinnen vor allem eins ganz praktisch mit auf ihren Lebenswegs bekommen haben: Nur zusammen ist man stark. Mit der Schülerin, die uns am zweiten Tag verlassen musste, haben wir während der gesamten Tour Kontakt gehalten.

Wenn ich mir als Begleiter wünschen könnte, was die Jugendlichen von dieser Woche der Herausforderung mitnehmen sollen, ließe sich das auf die folgende einfache Formel herunterbrechen: Vieles im Leben lässt sich kaufen, aber wahre Freundschaft bleibt unbezahlbar.

Sven Baetge ist seit 2010 bei ROCK YOUR LIFE! Berlin und rockt seit dem im Netzwerk-Team mit.

Text und Fotos: Sven Baetge

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